Carrying over
about Lucie


praktische, künstlerische Forschung mit emmanuel boos zu Glasuren von Lucie Rie.

Die Gefäße der österreichischen, englischen Keramikerin wirken, als möchten sie im Sortiment der Alltagsobjekte visuelle Lücken oder Pausen schaffen. Pausen, in denen der Blick ausruhen kann. Es sind dünnwandige, feine, harmonische Hüllen. Nichts ist überflüssig, die Balance zwischen Form und Glasur scheint vor-bestimmt und driftet agentengleich zwischen den 1920er und 30er Jahren ins Jetzt. Die strengen Entscheidungen Lucie Ries leiten den Blick auf etwas Auratisches, auf etwas Schönes, das intrinsische Präsenz und Fertigkeit zeigt.

Ich stelle mir vor, wie es wäre aus solch einer Lucie Rie Schale zu trinken. Sicherlich steht die Zeit still. Sicherlich fühlt sich die Form und die Glasur ganz zärtlich in den Händen an. Die Vorsicht im Umgang mit dem Gefäß würde behutsame Handhabung fordern und dann würde ich die spröde Stimme von Rie mit dem harten österreichischen Akzent hören und die ganze aufgeladene Stimmung im Umgang mit einer heute teuren Antiquität würde sich in die ursprüngliche Zweckmäßigkeit wandeln. „Bloß keine Übertreibung!“ Das obligatorische Stück Kuchen, das Lucie Rie in Wiener Tradition immer selbst gebacken ihren Gästen in ihrer Wohnung über Ihrer Werkstatt anbot, denke ich mir dazu. Ich habe einen Faible für Teigwaren aus einer ihrer Heimaten.

Zur Vorbereitung einer Fotoarbeit zu ihr, habe ich die Recherche auf ein mir unbekanntes praktisches Gebiet ausgeweitet. Die Oberflächen der Glasuren wirkten auf mich so anziehend, dass ich das Gefühl hatte mich mit ihnen näher zu beschäftigen und sie als Material für meine Fotoarbeit zu generieren. Als Applikation zu den Publikationen soll dieser Lucie Rie „Farbraum“ in irgendeiner Form zu sehen sein.

Viele Skizzen und auch Rezepte sind in den Katalogen und Archiven abgebildet, zu sehen und zu lesen. Sofern man versteht was man sieht und liest….

Ein Glück emmanuel boos zu treffen, er beschäftigt sich intensiv mit Glasuren, komplexen Rezepturen und verfügt über ein großes Wissen das er in seiner künstlerischen Arbeit unter anderem in Glasurbibliotheken abbildet. Sein Doktorvater, Emmanuel Cooper war Keramiker, Autor einer Biografie über Lucie Rie und arbeitete auch in ihrer Werkstatt. Eine gute Basis an gemeinsamer Neugier an Lucie Ries Glasuren.

Nach dem Transkribieren der handschriftlichen Rezepte wurde gewogen, vermengt, aufgetragen, Ofen gesetzt und gewartet, unterschiedliche Temperaturen ausprobiert, ausgemustert, wieder gewogen und weitergemacht.

Für mich war es ein Ausflug in ein neues Gebiet, was mir sicherlich viele zukünftige Experimente beschert und ein Weg wie künstlerische Forschung sein kann.